Labor ward – auf ein Neues!

Wie bereits angekündigt, startete ich heute wieder im Kreißsaal! Und so habe ich auch wieder mehr zuberichten als letzte Woche.
Zunächst hatten wir aber mal wieder ein sehr schönes Wochenende… 🙂

Bereits am Donnerstagabend waren wir gemeinsam unterwegs zum Goethe Institut, wo jeden Donnerstagabend meist deutsche Filme gezeigt werden und man „deutsche“ Bratwurst essen kann. Erinnerte mehr an eine weiche Knacker, aber es gab ein frischen Brötchen dazu – was eine willkommene kulinarische Abwechslung für uns war! Da wir alle aber wieder am Freitag früh raus mussten zur Arbeit, blieben wir nicht all zu lange. Und für Freitagabend hatten wir uns zum Feiern verabredet. Darauf freute ich mich sehr.


Zunächst waren wir bei einen Bekannten eingeladen, die recht schick eine gute Stunde von uns entfernt wohnt. Nachdem wir Securityman und den Pool hinter uns gelassen haben, fuhren wir, Maria, Daniel und Ich, in die 3. Etage und wurden direkt mit kühlem Bier und laufendem Fernseher empfangen. Somit haben wir das erste Mal wieder Ferngeschaut – eine amerikanische Kömodie. Einige Zeit später bestellte die Bekannte dann noch Pizza für alle. Wir konnten ein bisschen entspannen, genüsslich unser Bier trinken und uns auf den Abend freuen.
Später sind wir dann alle in den Club gefahren – dem High Spirit. Ein Club auf der Dachterasse eines Hochhauses mit Restaurant und Outdoor-tanzfläche. Maria und ich waren eindeutig underdressed in Jeans und Shirt!
Ein ziemliches Kontrastprogramm für uns Freiwillige. Aber ab und zu, ist das als Ausgleich doch sehr willkommen!

Am Samstag haben wir es ruhiger angehen lassen. Maria und ich haben einen schönen Ausflug in die Stadt gemacht, einige Besorgungen gemacht, erste Geschenke gekauft und die Umgebung erkundschaftet. Am Abend sind wir gemütlich zu Hause geblieben und haben schön gekocht.
Sonntag stand nun leider der Tag an, an dem die 3 anderen Freiwilligen Philipp, Silke und Birk ausgezogen sind und ihre eigene neue Wohnung bezogen haben. Auch wenn Maria und Ich dem etwas wehmütig gegenüber stehen, haben wir versucht beim Umzug mitzuhelfen.
…und jetzt sind wir auch nur 3 Tage allein in unserer großen Wohnung in Ilala Boma, denn Donnerstag kommen dann endlich Michaela, Felix und Marlene aus Deutschland noch dazu! Und d.h. unter anderem auch, dass mittlerweile schon 4 Wochen rum sind! Bereits seit 4 Wochen bin ich hier. Ziemlich verrückt wie die Zeit vergeht und man sich nach und nach an alles gewöhnt, sich einlebt und im nahen Umfeld sogar heimisch-wohlfühlt. Besonders unseren Stadtteil haben wir sehr gerne. Das anfängliche Gestresst sein, beim Straßen durchqueren, ist jetzt fast kein Thema mehr, da man sich doch immer mehr auskennt und alles immer mehr normal wird.

Auch die anderen Freiwilligen, Silke, Maria, Philipp und Michaela schreiben selber einen Blog. Sind auf jeden Fall alle mal einen Klick wert! 😉

Philipp arbeitet bei der Feuerwehr in Dar es Salaam: http://feuerwehr-tansania.blogspot.de/
Maria ist wie bereits erwähnt Kinderkrankenschwester im Bereich Neonatologie: http://maria-tansania14.auslandsblog.de/
Silke ist Sonderpädagogin an einer Schule für behinderte Kinder: http://silkeindar.wordpress.com/
Und Michaela ist studierte Krankenpflegerin und wird mit im Amana arbeiten: http://www.einjahrindar.auslandsblog.de/

Nun aber zu meinem 2. Anlauf im Kreißsaal im Amana.
Gemeinsam mit einer englischen Hebammenschülerin, die für 2 Wochen  hier ein Praktikum macht, startete ich in die neue Woche. Ich kenne sie bereits von letzter Woche. Wir können uns viel austauschen und es tut gut noch jemanden an der Seite zu haben, der einen zumindest etwas versteht.
Ich hatte mir erhofft, dass ich es noch mal ruhig angehen lassen kann und noch etwas zu schauen kann, aber daraus wurde nicht viel.
In den ersten Stunden, habe ich das noch ganz gut hinbekommen, versucht Abläufe zu erkennen und zu merken. Leider herrscht aber für mich immer noch ein viel zu reges Treiben im Geburtenraum und mal sind Hebammen dort – und mal eben nicht. Für mein Auge und gewohnte Struktur etwas zu viel WirrWarr.
Während viele Mamas nach Hilfe jammern, gehe ich eigentlich nur hin und her – ratlos, wie ich denn jetzt wohl helfen kann. Aber immer wieder mit der Erkenntnis, dass ich eigentlich nicht viel machen kann. Die Mamas warten einfach darauf, dass das Köpfchen bald durchschneidet und sie dann von einer Hebamme eingeleitet werden können. Doch als plötzlich eine Hebamme mit einer Geburt beschäftigt war und keine andere Hebamme gerade zu Stelle war, machte eine Mama in den Wehen deutlich, dass das Baby wohl jetzt käme. Als ich zu ihr ging, bestätigte sich das, durch das einschneidende Köpfchen. Mir blieb also nichts anderes übrig, als mir die Handschuhe überzuziehen und loszulegen, ohne wirklich zu wissen was mich erwartet. Da ich aber noch den Rest des Geburtensets zusammensuchen musste, gebar die Mama ihr Baby noch ohne meine Hilfe. Ich stellte mich neben ihre Liege und musste dann feststellen, dass das Baby bereits seit einigen Tagen tot war. Das war deutlich am Mazerationsgrad zu erkennen. Die Haut löste sich bereits  an einigen Stellen des Körpers und auch das Fruchtwasser war deutlich dunkler verfärbt und roch streng.
So viel also zum „Ruhig Angehen Lassen“.
Ich machte dem Pfleger neben mir auf Englisch klar, dass er der Mama bitte auf Kiswahili sagen sollte, dass das Baby nicht leben würde. Die Mutter brach schrecklich in Tränen aus – keiner hatte anscheinend vorher gewusst, dass das Baby bereits seit einigen Tagen nicht mehr lebte. Trotzdem wurde der Mama nicht viel Zeit gegeben, sie musste die Liegen räumen und weinte dann noch einige Zeit auf der Bank um Flur, neben der Anrichte, wo die anderen Babys der anderen Mütter lagen.
Später beim dokumentieren fiel mir auf, dass bei der Aufnahme letzte Nacht positive Herztöne mit einer Frequenz von rund 135spm aufgeschrieben wurden…aufgrund des Aussehens des Babys (Mazeration) ist das aber zu 100% nicht stimmig.

Dann wurde es erstmal ruhig im Kreißsaal. Einige Frauen wurden für die Sectios (Kaiserschnitte) vorbereitet, womit ich nicht viel zu tun hatte. Ich nutzte stattdessen die Zeit um mich ein wenig mit Kiswahili zu beschäftigen uns lies mir von Kollegen einige Wörter und Phrasen aufschreiben.

Gegen 13Uhr wurde es dann wieder voller im Kreißsaal und wieder mal konnte ich mich nicht mehr um eine Geburt herumschlagen. Grundsätzlich macht es mir großen Spaß Geburten zu betreuen, da ich aber weder die Materialien, noch die Sprache gut spreche und auch keine gute Anleiterin an meiner Seite habe, die mich einarbeitet, scheue ich mich tatsächlich noch ziemlich davor.  Doch ich konnte trotz weniger Wörter auf Kiswahili gut mit der Mama kommunizieren und wir haben gut kooperiert. Schon bei der Kopfgeburt merkte ich, dass das Baby recht kräftig ist und der Kopf sehr langsam geboren wurde.
Vor ein paar Tagen habe ich schon mal einige Sachen erfragt – unter Anderem auch das Thema Schulterdystokie (die vordere Schulter bleibt unter dem Schambein der Mutter stecken – ein echter Geburtshilflicher Notfall). Ich habe mehrere meiner Kollegen hier im Amana dazu gefragt, aber keiner konnte mir dazu etwas sagen bzw. hatte davon was gehört.
Ich versuchte also erstmal ganz ruhig zu bleiben, mir war klar, dass wenn ich jetzt mit dem McRoberts Manöver anfing, würde ich schief angeguckt und wahrscheinlich ermahnt werden, welch seltsame Dinge ich hier veranstalte. Somit mobilisierte ich in der Wehenpause das mütterliche Becken, in dem ich der Mutter deutlich machte, sie soll der Po anheben – ich hoffte einfach, dass das klappt.
Es ist ein absolut konfuses Gefühl zu wissen, dass man für Sachen, die man gelernt hat und von denen man überzeugt ist, eher getadelt wird, als dass es gelobt wird.
So schlimm das aber auch Klingen mag – für mich bedeutet es auch, dass ich in diesen Situationen für mich trotzdem etwas lerne und seltsamer Weise viel entspannter Nachdenken kann, als ich es während der Ausbildung jemals konnte. Ich bin äußerlich doch sehr entspannt und ruhig. Das hätte ich vorher nie von mir erwartet!

Die Beckenmobilisierung funktionierte, denn das Baby wurde in der nächsten Wehe, mit etwas mehr Hilfe meinerseits mit einer Nabelschnurumschlingung um den Hals geboren. Vielleicht war es keine richtige Schulterdystokie, aber trotzdem war ich mehr als froh, dass das Baby da war. Ich wickelte es aus der Nabelschnur und rieb des kleine noch schlappe Baby mit dem Kanga der Mutter trocken. Der Start fiel dem Kleinen nicht sehr leicht – also beeilte ich mich mit dem Abnabeln und übergab es der Hebamme, die auf einmal wieder vor Ort war und mir während der Geburt einige lautstarke Kommentare zu warf. Eine etwas unangenehme Situation für mich, da ich sowieso schon innerlich nervös war und es sich bei keiner Sache um Fehler handelte – lediglich um unterschiedliche Arbeitsweisen.
Ungünstiger Weise, blutete die Mutter dann auch noch verstärkt. Ich gab ihr bereits 5iE Oxytocin, wie es hier bei jeder Geburt üblich ist. Trotzdem blutete die Frau weiter, und ich holte mir umgehend Hilfe. Der Pfleger verlangte dann noch weitere 10iE Oxytocin unverdünnt i.m.  Er machte eine Manuelle Nachtastung und entfernte einige Blutkoagel. Er versorgte noch den hohen Scheidenriss und den Dammriss und lies mich dann wieder allein mit der Frau.
Ich machte die Mama sauber, kontrollierte noch des Öfteren die Blutung. Immer wieder schwappte das Blut schwallartig mit Koageln heraus. Ich gab diese Information weiter…es wurde zur Kenntnis genommen. Das war kurz vor Dienstende.

Nach dem die Geburt zunächst abgeschlossen war, nahm mich die Hebamme zur Seite, die mich die Geburt über beobachtet hat. Sie wollte mit mir noch das Partogramm besprechen bzw die Dokumentation. Das fand ich super und freute mich darauf, dass mir jemand etwas zeigen wollte. Doch leider hatte das Gespräch noch eine andere Absicht – sie hatte das Partogramm bereits selber ausgefüllt und hinter meinen Namen Student geschrieben und sich selbst als leitende Hebamme eingeschrieben. Grundsätzlich finde ich das gar nicht so schlimm – bis sie mir dann aber sagte, dass ich Schuld an der Asphyxie des Kindes hätte und es jetzt auf die Intensivstation verlegt werden müsste. Ich sollte mir aber keine Sorgen machen, das könnte jedem Mal passieren.
Ich fiel aus allen Wolken. 1. war ich mir überhaupt keiner Schuld bewusst bzw keines Fehlers. Mir fiel nicht ein, wodurch ich diesen anfänglich etwas schwierigen Start für das Baby hätte vermeiden können. Und 2. hatte ich das Baby in diesem Moment noch mal gesehen und es hatte keinerlei Anzeichen von Atemproblemen, hatte einen guten Muskeltonus, weinte und hatte eine schöne Hautfarbe. Ich war absolut verwirrt. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass meine Einschätzung so mangelhaft ist.
Das merkte wohl auch die englische Hebammenschülerin, die mich die ganze Zeit unterstützte und dann der Hebamme deutlich sagte, dass ich kein Student mehr bin, sondern auch Hebamme. Ab da war, dann auch die Hebamme verwirrt und strich sofort das „Student“ hinter meinem Namen. Dann wurde auch nicht mehr über einen möglichen Fehler gesprochen – und ich war noch verwirrter.

Ich unterhielt mich darauf hin noch eine ganze Weile mit der englischen Hebammenschülerin. Es ist ein sehr schwieriges Thema – es „besser“ zu wissen und das aber nicht raushängen zu lassen! Denn damit beißt man hier doch ziemlich auf Granit.
Es ist schon alles ziemlich verrückt – und morgen geht es weiter.

Gute Nacht – lala salama.

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