Antenatal Care

Meine erste Woche in der Schwangerenambulanz liegt hinter mir.

An meinem ersten Tag wurde ich wie immer freundlich von dem Team aufgenommen und genoss eine kleine Führung von der Leitung persönlich.
In dem kleinen Häuschen befinden sich 4 Behandlungszimmer, wovon eines für die Schwangerschaftsvorsorge vorgesehen ist.
In den restlichen 3 Räumen finden Sprechstunden zum Thema Familienplanung, Kontrollen bei HIV-erkrankten Müttern und Impfungen statt. Im Laufe der Wochen werde ich versuchen überall mal reinzuschauen und so viel wie möglich von allem zu erfahren.

Diese Woche stand allerdings, wie gesagt, ganz die Vorsorge im Mittelpunkt.
Es ist schön sich mal wieder nur darauf konzentrieren zu können, da ich manchmal tatsächlich glaube alles Gelernte aus der Ausbildung zu vergessen. Also konnte ich Einiges mal wieder auffrischen.
Auch wenn ich mal wieder schnell feststellte, dass sich auch die tansanische Vorsorge im Vergleich zur deutschen doch etwas unterscheidet.

Die Vorsorgesprechstunde beginnt um 7:30Uhr und schnell versammeln sich die schwangeren Frauen mit ihren runden Bäuchen auf den Bänken vor der Ambulanz.
Bevor es mit den Untersuchungen losgeht findet manchmal noch eine kurze Aufklärungsrunde zu den unterschiedlichsten Themen statt. Wie zum Beispiel die richtige Ernährung in der Schwangerschaft und nötige Utensilien für die Geburt. Da zur gleichen Zeit auch die Nachsorgen bei Mutter und Kind im selbigen Haus stattfinden, werden auch Themen wie Stillen und Säuglingspflege behandelt.

Nach der kurzen „Unterrichtsstunde“ werden dann von 2 Schwestern (und nun auch von mir) der Blutdruck und das Gewicht der Frauen ermittelt und auf der „Antenatal Card“ (Art Mutterpass) notiert.
Bei gut 35 Frauen kann das erstmal dauern und bringt so manchen Krampf in der Hand durch das Manschattenaufpumpen mit sich. Aber in Eile ist hier wie immer niemand.
Sollten die Frauen das erste Mal in die Ambulanz kommen, werden sie außerdem in einem Buch aufgenommen. Das bedeutet noch mehr Schreibkram und noch mehr Zeitaufwand.

Sind all diese Dinge erledigt wird auf den zuständigen Arzt gewarten…
Und das kann schon mal dauern. Gestern zum Beispiel begannen die eigentlichen Vorsorgen erst gegen 11Uhr.
Aber lange Wartezeiten gehören hier dazu wie der Chai zum Chapati. Soll heißen, alle sind es gewohnt und keiner beschwert sich.

Dann werden die Frauen der Reihe nach aufgerufen und je nach Problem im Vorsorgeraum behandelt.
Da das Amana ein „Refferal Krankenhaus“ ist (Krankenhaus zu dem meist Pathologien bzw Auffälligkeiten überwiesen werden), gibt es hier in der Ambulanz eigentlich keine der üblichen Standartvorsorgeuntersuchungen. Stattdessen gibt es häufig Frauen die sich vorstellen aufgrund eines SIH (Schwangerschaftsinduzierter Hypertonus, Bluthochdruck), Zustand nach Sectio (Kaiserschnitt) oder einer starken Anämie. Das sind die 3 Hauptgründe.

Nichtsdestotrotz werden routinemäßig Malariaprophylaxe, Wurmprophylaxe und Eisenpräparate vergeben.
Aufgrund von Mangelernährung kommt es in Entwicklungsländern häufig zu einer Anämie (Blutarmut). Ganz physiologisch kommt es innerhalb einer Schwangerschaft zu einem vielfach erhöhten Eisenbedarf. Doch nur selten hat hier eine Schwangere Frau einen Hb (Eisenwert) von über 10,5 g/dl.
Außerdem gibt es in Malariagebieten eine Häufung von Sichelzellanämien, da diese eine Malariaimmunität gewährleistet. Mehr oder weniger gut durchdacht von Mutternatur, denn Blutungen sind natürlich hier in der Geburtshilfe immer noch die häufigste Todesursache. Und besonders Frauen mit einem geringen Hb haben dann wenig Kapazitäten um einen hohen Blutverlust durch die Geburt zu kompensieren.

Innerhalb der Vorsorge werden dann noch die Fundushöhe, die Lage des Kindes und Schwangerschaftswoche ermittelt.
Im Gegensatz zu Deutschland wird hier noch viel mit dem Symphysen-Fundus-Abstand (SFA) gearbeitet, der Aufschluss über die Schwangerschaftswoche geben soll.
Gemessen von der Symphyse entspricht dann jeweils ein Zentimeter einer Schwangerschaftswoche.
Außerdem ist es üblich einfach gerade nach oben zu messen und nicht mit der Längsachse des Kindes zu messen.
Für mich eine eher fragwürdige Methode, da ich nicht immer sicher weiß wie der jeweilige Vorgänger auf sein Messergebnis kam. Und eigentlich dient der SFA nur der Beobachtung zum stetigen Wachstum des ungeborenen Kindes und nicht der Ermittlung der Schwangerschaftswoche (Sagt mein Buch und mein gelerntes Wissen).
Nichtsdestotrotz mache ich fein was die Ärztin verlangt und erfreue mich daran meine Fähigkeiten im Bauchabtasten zu verbessern…

Zum Glück sind es meistens nur Fälle von Frauen, die einen milden Hypertonus oder milde Anämie haben und rechtzeitig ins Amana überwiesen wurden.
Doch gelegentlich habe ich Frauen vor mir, die mit einem Blutdruck von 220/130mmHg nicht korrekt medikamentös eingestellt sind und kippe fast gemeinsam mit der Frau vom Stuhl.
Auch hier sind Medikamente wie Methyldopa/Aldomet oder Nifedipin das Mittel der Wahl bei zu hohem Blutdruck in der Schwangerschaft.

Aber nicht nur kolossale Blutdrücke sind hier ein Problem.
Heute kam eine 3.Gravida mit einer sehr starken Anämie zu uns die Ambulanz.
Bereits auf den ersten Blick konnte man erkennen, dass sie sehr krank ist. Sie leidet offensichtlich unter Tachykardie (zu schneller Puls), Tachypnoe (zu schnelles Atmen), ausgeprägten Ödeme (Wassereinlagerungen) in Beinen und Händen, blasse Schleimhäute und genereller Schwäche.
Und trotzdem staune ich immer wieder wie tapfer die Frau warten und sich von Untersuchung zu Untersuchung schleppen, ohne sich auch nur ein einziges Mal zu beschweren.
Als ich dann einen der letzten Hb-Werte sah, erklärte sich mir schnell der aktuelle Zustand der Frau. Er lag bei 4,6 g/dl. Ich nehme an, dass die Frau daraufhin eine Transfusion und weiterhin standartmäßig eine Eisensubstitution bekam, denn der aktuelle Hb-Wert lag bei 7,1 g/dl. Immer noch gefährlich niedrig für eine schwangere Frau!
In Folge einer schweren Anämie kann es unter anderem zu einem Lungenödem und/oder Herzversagen kommen.
Die Ärztin entschied sich für eine stationäre Aufnahme um eine genaue Beobachtung zu gewährleisten. Es wird weiterhin eine hochdosierte Eisensubstitution zu verabreicht, im Ernstfall weitere Ery-konzentrate gegeben und die Frau mit Antibiotika abgedeckt.
Durch die Anämie hat der Körper nur ein schwaches Immunsystem und die Gefahr einer Infektion ist hoch. In diesem Fall waren bereits erhöhte Leukozyten im Blutbild zu erkennen – die CRP-bestimmung gehört nicht zu den standartmäßigen Untersuchungen.

Allerdings liegt die Konzentration auch auf der körperliche Schonung der Frau. Sie ist bereits Mutter von 2 Kindern und die Frauen stehen im Alltag sehr häufig unter starker körperlicher Anstrengung.

Alles in Allem ist es jedoch sehr entspannt in der Ambulanz und ich freue mich, mich mal wieder einem anderem Gebiet der Hebammenarbeit widmen zu können.
Ab und zu ist es auch ganz unterhaltsam, dass ich einen direkten Blick auf das Eingangstor habe und immer auf dem neusten Stand der Vorkommnisse im Krankenhaus bin. Ganz „tansanisch“ sitze ich dann mit meinen Kolleginnen und beobachte das Treiben – inklusiver Messerstichverletzungen die an uns vorbeirollen, da sich die Notfallambulanz direkt nebenan befindet!

Aufgrund der Feiertage war auch hier die Woche kurz und über die Feiertage planen wir einen Ausflug ins nicht weit entfernte Morogoro.
Ab nächste Woche Mittwoch (Dienstag ist noch ein weiterer geschenkter Tansanischer Public Hollyday), berichte ich dann wieder – weiterhin aus der Ambulanz.

Somit: Frohe Ostern, ich hoffe bei euch ohne Schnee!

tatsächlich glaube

Hinterlasse einen Kommentar