Wirklich nur noch 67 Tage?

Dienstag war tatsächlich seit langem mal wieder ein richtig blöder Tag.
Als ich am Morgen in den Kreißsaal kam, waren schon alle fleißig am Räumen und Wirbeln. Als ich dann noch bemerkte, dass alle meine Kollegen in Schürze, Haube und Mundschutz gehüllt waren, wusste ich direkt, dass irgendetwas ansteht.
Alles wurde aufgeräumt, geputzt und sogar auf die korrekte Mülltrennung wurde geachtet. Und das ist meistens schon verdächtig…

Nachdem ich mit umgezogen hatte, wurden mir direkt die wichtigen 3 (Schürze, Haube und Mundschutz) zugeworfen, wodurch sich das Schwitzvergnügen auf der Arbeit noch steigert. Heute ist ein Check up um Infektionen zu vermeiden bzw das korrekte Management wird überprüft. Ja und rein theoretisch ist auch alles vorhanden … es wird aber trotzdem nur gering eingehalten.
Jedoch an solch einem Tag läuft es gut und die Prüfung wird selbstverständlich ohne weiteres hinter sich gebracht. Es mangelt nur leider am Durchhaltevermögen für die sonstigen Arbeitstage.

Des Weiteren waren wieder einmal diverse Weiterbildungsteilnehmer aus dem Muhimbili (das nächstgrößere Krankenhaus) in unserem Kreißsaal. Und das bedeutete, dass der Kreißsaal nahezu aus allen Nähten platzte und dieses Mal nicht weil wir so viele Frauen zu versorgen hatten.
Zum Glück hatte ich eine tolle Geburt, bevor dieser ganze Trouble los ging.
Danach verlief der Tag eher chaotisch und ich hielt mich mit Geburten zurück, da einfach zu viele Menschen dort waren.
Trotzdem fielen einige Arbeiten an und ich unterstützte bei den Geburten.
Am frühen Nachmittag war ich dann aber froh, aufgrund von Geräuschpegel und ausgelassenem Frühstück, eine Frau mit ins Muhimbili zu verlegen und kurz eine Auszeit zu bekommen. Doch diese Fahrt sollte sich als kleine 3stündige Odyssee erweisen.
Die Fahrt mit der jungen Patientin, die bereits mehrere eklamptische Anfälle hatte, erwartete ihr erstes Kind. Nachdem sie längere Zeit ohnmächtig war, war sie in einem sehr verwirrten Zustand und schlug immer wieder um sich. Im Laufe des Aufenthaltes in unserem Kreißsaal musste sie sogar an Händen und Füßen fixiert werden, da sie sich immer wieder die notwendigen Braunülen aus den Armen zog. Eine zeitweilige Beruhigung mit entsprechenden Medikamenten war zu diesem Zeitpunkt nicht möglich. Und so fuhren wir mit der fixierten Patientin im Beisein ihrer Mutter zum Muhimbili Krankenhaus. Da der Rettungswagen nur für Verlegungen genutzt wird und äußerst spärlich ausgestattet ist, saß ich auf dem Boden, während ich die Beine der Frau festhielt. Währenddessen dachte ich selbst…was für eine absurde Situation!
Aber so ist nun mal manchmal.
Als wir die Frau dann dem neuen Personal übergaben hatten, mussten wir für unser Krankenhaus noch bestelltes Blut von der Blutbank holen. Dieses dauerte aber auch noch mal eine ganze Weile.
Als wir dann wieder zurück kamen ins Amana, konnte ich dann recht zeitnahe nach Hause gehen um endlich mein Frühstück nachzuholen.
Und wo wir gerade bei Essen sind…seit letzten Donnerstag hat der Ramadan hier begonnen, was man in unserem Stadtviertel besonders spürt. Ein großer Anteil der Bewohner in Ilala sind muslimisch. Ab dem ersten Tagesgebet wird also nicht mehr gegessen, bis Abends „ein weißer Faden nicht mehr von einem schwarzen Faden zu unterscheiden ist“ und man dann das Fasten bricht – bis zum nächsten Morgen.
Das heißt leider für uns…4 Wochen keine leckeren Chapatis oder Sambusa am Morgen…nur einige Mamas vor unserem Krankenhaus bieten eine kleine Auswahl an Essen an. Dieses ist natürlich nicht überall in Dar es Salaam so…aber wie gesagt, bei unserem Stammdukas ist das der Fall.
Wenn es dann dunkel wird, geht das Schlemmen allerdings los und dann gibt es allerlei Leckerein auf den Straßen…da lohnen sich Abends noch einmal ein paar kleine Ausflüge durch die Straßen. Allerdings so kurz vor dem Schlafen gehen etwas unpraktisch so vollgefuttert wieder nach Hause zu rollen.

Auch der Mittwoch verlief ähnlich.
Doch am Donnerstag und Freitag nahm die Anzahl der Menschen im Kreißsaal deutlich ab und ich hatte 2 tolle Dienste mit tollen Kollegen.
Und außerdem hatte ich dann auch noch 2 Geburtenreiche Tage. Meine Scheu vom Anfang gegenüber den Geburten hier ist fast wie verflogen und ich mache eine Geburt nach der anderen.

Am Freitag war die 2. Geburt des Tages allerdings weniger erfreulich. Da gerade die Visite stattfand und obwohl ich noch keine Übergabe zu der jetzt pressenden Frau bekam, begann ich wie üblich die Frau bei der Geburt zu begleiten. Ich fragte sie kurz in der wie vielte Schwangerschaft sie ist und ließ sie dann mit schieben, da der Kopf bereits gut sichtbar war. In diesem Moment merkte ich aber das etwas nicht stimmt. Der Kopf hatte eine seltsame Form und war außerdem sehr sehr klein. In diesem Moment schlüpfte eine Kollegin durch die Vorhänge und sagte mir, dass die Frau einen diagnostizierten IUFT (intrauterinen Fruchttod) hat.
Also ließ ich die Frau langsam weiter schieben innerhalb der Wehe und unterstützte die Geburt des Kindes nur ein wenig mit der Leitung in die Führungslinie. Ich vermied es das tote Kind häufig zu beruhigen, da es schon sehr stark mazeriert (Mazeration= in diesem Fall Zersetzung/Zerfall im Uterus) war.
Als das Kind dann ganz geboren war, nabelte ich es direkt ab und wickelte es in einen Kanga. Normalerweise wickle ich die Kinder bis auf das Gesicht ein und zeige es noch einmal den Müttern…
Doch bei diesem Kind war das leider kaum möglich. Also sprach ich der Mutter mein Beileid aus und ließ ihr Raum für ihre Trauer. Währenddessen war sie mir sehr zugewandt und auch ich wurde fast von dieser Stimmung überrollt. Keine 10 Minuten vorher hatte ich eine wunderbar normale Geburt mit gesunder Mutter und gesundem Kind.
Ein echtes Rumgehüpfe zwischen den Emotionen.
Also beendeten wir die Geburt gemeinsam und ich machte die Frau nach der Geburt frisch. Ließ sie dann noch ein bisschen auf der Liege liegen, statt sie auf die Bank zu schicken, wo die Mütter normalerweise direkt nach der Geburt warten.

Aber auch danach ging die Arbeit normal weiter – alles findet unmittelbar nebeneinander statt und daran gewöhnt man sich.
Insgesamt war es mal wieder eine verrückt – gute – durchgeknallte – anstrengende – mit viel Lachen erfüllte Woche.
Ich mag meine Arbeit hier sehr.

Nachtrag zum Thema Mazeration.
Dieser Vorgang der Aufweichung und Zersetzung ist ein absolut biologisch normaler Vorgang. Die Ausprägung hängt jeweils von dem Abstand zwischen intrauterinen Tod und der Geburt ab – diese wird in verschiedene Grade der Mazeration eingeteilt.
In der Regel besteht, sofern kein Blasensprung stattfand, keine Gefahr für die Mutter eine aufsteigende Infektion zu entwickeln.
In diesem Fall wurde die Frau aber mit einem Antibiotikum therapiert, da der genaue Zeitpunkt des Blasensprunges nicht klar war und die Frau darüber keine Angabe machen konnte.

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