Moyo mmoja – ein Herz

Der Rest der letzten Woche lief weiterhin prima, so dass ich Freitag noch einmal mit Motivation zur Arbeit ging.
Doch leider wurde mir diese bereits in den ersten Stunden genommen.
Es waren lediglich ein Kollege und ich für den Kreißsaal zuständig, da nicht sonderlich viele Frauen dort waren. Hinzu kam aber ein Haufen von Schüler, die sich natürlich um jede Geburt fetzten.

Irgendwann füllte sich der Kreißsaal mit einer handvoll Erstgebärenden und ich wusste ganz genau was auf dem Plan steht.
Fleißiges Pressen und zügiges episiotomieren (Dammschnitte) – besonders der tansanische Kollege mit dem ich im Dienst war, ist mir dadurch gut in Erinnerung geblieben.
Ich hatte kaum die Möglichkeit Schüler anzuleiten und wenn, dann wollten sie meine Art der Geburtshilfe nicht hören bzw waren davon verunsichert. Also nahm ich dieses hin und zog mich etwas zurück.
Auch solche Tage sind möglich und ich habe mal wieder gemerkt, wie abhängig das Arbeitsklima von meinen anderen Kollegen um mich herum ist.
Aber das war ok – die Woche war vorbei und wir planten ein tolles Wochenende. Wir fuhren nämlich kurz nach der Arbeit in das knapp 2h entfernte Bagamoyo und genossen dort ein paar schöne entspannte Tage am Meer.

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Nachdem wir dann gestern Abend recht spät zu Hause waren, ging heute früh die Arbeit weiter.
Eine kleine Anekdote am Rande:
Da ich heute ein maßgeschneidertes Kleid aus tansanischem Stoff anhatte, wurde ich von einer Kollegin erstmal durch den halben Maternity Ward geschleppt, damit jeder mein schönes Kleid bewundern konnte – und das nicht zu wenig. „Umependeza“ – Du siehst hübsch aus.
Ein lustiger Start in den Tag und immer wieder spaßig!

Danach begann der Tag wie üblich im Labour ward.
Aber irgendwie war heute der Wurm drin. Jedes Mal, wenn ich gerade die Geburt bei einer Frau vorbereitete und auf die Begleitung hoffte, schummelte sich immer eine andere notwendige Arbeit dazwischen und ein Schüler schnappte mir die Geburt vor der Nase weg. Ärgerlich! Aber trotzdem kein schlechter Dienst. Ich hatte eine meiner Lieblingskollegen an der Seite, mit der ich wirklich prima zusammen arbeite. Bei ihr werde ich richtig miteinbezogen und konnte selber viel arbeiten.

Doch leider häuften sich heute auch mehrere Totgeburten.
Ein paar Frauen um den Termin entbanden ihre toten Kinder.
Eine Erstgebärende wurde wegen einer schweren Präeklampsie in unser Krankenhaus verlegt. Man diagnostizierte dort dann zusätzlich einen intrauterinen Fruchttod.
Nachdem sich die Frau bis zu 5cm Muttermundseröffnung gekämpft hatte, entschieden sich die Ärzte wegen eines Geburtsstillstandes zu einer Sectio.
Und dieses Mal erwies es sich doch tatsächlich as Vorteil, dass zwischen Sectioentscheidung und Schnitt eine gewisse Zeit liegt. Denn plötzlich war das kindliche Köpfchen in der Scheide sichtbar und die Frau entband ihr Kind zum Glück doch noch spontan.
Ich finde diesen spontanen Geburtsweg um einiges besser für eine Frau im Falle einer Totgeburt, als einen Kaiserschnitt. Denn im Nachhinein hat die Frau Schmerzen, bekommt ihr Kind nicht einmal zu Gesicht und wird ständig mit einer Narbe an diesen Tag erinnert.
Alles in Allem ist diese Situation sowieso eine schreckliche – aber ich bin froh, dass die Frau spontan geboren hat und nicht vielleicht noch zusätzlich schlimme Wundheilungsstörungen bekommt. So kann sie sich voll und ganz auf die Verarbeitung konzentrieren.

Eine kurze Zeit später gebar ebenfalls eine Mutter mit einer Plazentalösung ihr bereits totes Kind.
In beiden Fällen kümmerte ich mich um das Kind – wickelte es in den Kanga, wog es und versah es mit einem Identifikationsklebchen. Danach kommt es an einen Platz, wo es dann später von der Pathologie abgeholt wird.
Direkt im Kreißsaal wird der Trauer nicht viel Raum gegeben. Man spricht der Frau kurz sein Beileid aus und dann geht es mit der normalen Arbeit direkt weiter.
Ein richtiges Gespräch kommt nur bei wenigen Hebammen zustande.
Trotzdem habe ich mir größte Mühe gegeben so behutsam wie möglich mit der Frau umzugehen.

Auch am Wochenende hatten wir ein interessantes Gespräch mit einem werdenden Arzt in Bagamoyo, welcher Medizin studiert und schon ein paar praktische Einsätze im Krankenhaus hinter sich hat.
Auf das Berufsbild „Arzt“ wird hier eine ganze Menge gehalten und das merkt man häufig auch an den Persönlichkeiten der Ärzte – verstärkt bei den männlichen.
Als er mich fragte was ich arbeite und ich ihm sagte ich bin Hebamme, kramte er direkt seine Kreißsaalgeschichten raus und wie furchtbar die Arbeit doch sei. Eine kurze Zeit hörte ich mir seine Meinungen an und konnte es dann aber doch nicht ertragen nichts zu sagen. Auch, wenn es ein bisschen heikel wurde.
Ich muss dazu sagen, dass man keinesfalls alle Ärzte über einen Kamm scheren kann, denn ich kenne auch viele tansanische Ärzte, die nicht so sind. Aber es ist sehr auffällig, dass gerade männliche Ärzte ein ausgeprägtes Ego haben, wo jedoch nicht viel  theoretisches Wissen dahinter steht. Ich erinnere mich da, an diverse Fragerunden im morgendlichen Report, wo eine simple Frage durch einige Reihen geht, weil keiner von den Ärzten sie beantworten kann. Und besonders dann macht mich dieses Verhalten besonders wütend.
Und auch mit dieses besagtem Arzt lief das Gespräch schwierig, denn er erzählte mir von einer jungen Patientin, 19 Jahre alt, die während der Geburt einen Zervixriss erlitt. Zunächst war aber wichtiger ob ich schon mal einen Zervixriss genäht habe – hab ich nicht. In Deutschland und auch im Amana Krankenhaus ist das Arztaufgabe. Das Problem bei einem Zervixriss ist, dass die Frau unglaublich schnell Blut verliert, also muss dieser schnell versorgt werden. In Deutschland läuft das im OP – in Tansania unter lokaler Anästhesie im Kreißsaal auf der Geburtenliege.
Und diese Patientin war kaum ansprechbar oder zu beruhigen…und somit kamen wir auf das Thema Anschreien und Klapse verteilen im Kreißsaal. Ich sehe dieses zwar immer noch äußerst selten, aber es kommt doch vor – und selbstverständlich kann ich dieses Verhalten absolut nicht unterstützen. Er versuchte das allerdings etwas lächerlich hinzustellen und abzuwenden. Denn schließlich wollen die Ärzte ja nur helfen…und wenn die Frau sich nicht helfen lassen will, hätte sie eben Pech gehabt.
Auf mein Argument, dass die Frau vielleicht schon absolut verstört von der Geburt und überhaupt dessen ist, was mit ihrem Körper passiert ist, brachte er das Gegenargument, dass die Frau viiiiel zu jung sei.
Daraufhin brachte ich eine dickes fettes Nein. Unter der Geburt erfährt eine Gebärende, vor Allem im Krankenhaus mit einer hohen Geburtenzahl, nur gering mentale Unterstützung. Es herrscht ein rauer Ton und Umgang.
Das Gespräch verlief zwar ruhig und entspannt,aber an einem gewissen Punkt brach ich dieses Gespräch ab, da er keineswegs meine Ansichtsweise verstand. Und ich merkte, wie heikel dieses Thema für mich ist.

Als Arzt hat man hier freie Hand – egal ob das theoretische Wissen vorhanden ist oder nicht. Es wird nicht in Frage gestellt – und das sollte es allerdings!
Denn besonders das ist noch ein großes Problem.
Am Ende war er dann auch etwas beleidigt, weil er, glaube ich, sich das Gespräch anders vorgestellt hatte – nämlich meinen Zuspruch und Bewunderung. Gab’s aber nicht.
Zusätzlich bin ich noch eine Frau und eigentlich hierarchisch unter ihn gestellt – und damit tut man dem tansanischen männlichen Ego oftmals keinen Gefallen.
Aber vielleicht sind ihm ein paar meiner Worte doch im Kopf geblieben und er reflektiert sein Handeln das nächste Mal.

Ich mache dieses Verhalten meinen Kollegen keineswegs zum Vorwurf, denn seit Ewigkeiten wird dieses so praktiziert und eine Verurteilung wäre absolut unangebracht. Aber ein paar Denkanstöße zu geben finde ich durchaus in Ordnung.
Denn auch ich nehme von hier sehr viel mit.

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