Eklampsia – Eklampsia!

Heute war ein guter und zugleich aber auch vollkommen gestörter Tag.
Es geht mir wieder gut und ich bin motivierter, als gestern, zur Arbeit gegangen.
Anfangs war mittelmäßig viel zu tun im Labor ward. Gegen 9Uhr trudelten dann auch die 3 Praktikantinnen aus England und den Niederlanden ein.
Bereits seit letzter Woche ist ordentlich Trubel im Labor ward, da ein angekündigter Qualitätscheck ansteht. Seit Tagen wird sortiert – geputzt – organisiert – gebastelt und diskutiert wie man es am Besten macht. Ich war teilweise wirklich erstaunt wie gut das alles klappt. Sauber und gut organisiert.


Alle trugen Schürzen, Haarnetze und Mundschutz – eine etwas übertriebene Ausstattung für meinen Geschmack, aber es macht zumindest einen guten Eindruck. Aber man schwitzt unter dem ganzen Plastikkram noch mehr, als überhaupt schon. Des Weiteren haben alle gut aufgeräumt, zusätzliche Dinge angeschafft und einige Hygienemaßnahmen wurden umgesetzt.
Zum Beispiel steht das Sauerstoffgerät nicht mehr auf dem Boden, wo dann die Beatmungsschläuche achtlos auf dem Boden hängen. Alles steht jetzt auf einem Wagen und ist so sind die Schläuche weit genug vom Boden entfernt.
Heute kam dann also das Qualitätsmanagement – gingen kurz durch den Ward, machten sich Notizen und verschwanden dann wieder.
Alles schien ganz gut gelaufen zu sein.

Während die 3 Praktikantinnen heiß auf eine Sectio (Kaiserschnitt) waren, blieb ich wie gewohnt im Kreißsaal. Als das Kind von der sectionierten Frau in den Kreißsaal gegeben wurde, der OP befindet sich direkt neben dem Labor ward, kam Hektik auf.
Das Kind war blau und schlapp. Der zuständige Pfleger saugte zunächst tief in Mund und Nase ab und bebeutelte das Kind einige Sekunden. Nach kurzer Zeit wurde das Kind rosig und begann selbständig und regelmäßig zu atmen. Es wurde warm eingepackt und genoss dann aber keine weitere Aufmerksamkeit mehr. Alles war prima. Ich schaute ab und zu nach dem kleinen Kerl. Checkte Herzschlaf, Atmung und Hautfarbe. Alles war gut.
Nachträglich schaute ich in die Dokumentation und checkte die APGAR Werte. Hier werden nur die APGAR Werte von der ersten und der 5. Minute dokumentiert. Während meiner Ausbildung wurde hauptsächlich das Augenmerk auf den 5-Minuten und 10-minuten Apgar gelegt, da der erste Apgar Wert nicht so aussagekräftig ist. Allerdings ist hier auch gar nicht die Zeit das Kind noch nach 10 Minuten zu beurteilen. Zu diesem Zeitpunkt liegt es meist schon unter der Wärmelampe bei allen anderen Babys aus dem Labor ward. Die Apgar-werte dieses Babys wurden mit 8Punkten nach der ersten Minuten beurteilt und der 5-minuten Apgar war 10. Für mich eine ziemliche Fehleinschätzung. Aber man wollte wohl keine schlafenden Hunde wecken. Wichtig war ja nur, dass das Baby jetzt fein war.

Parallel zu diesem Vorkommnis, passierte ein weiterer geburtshilflicher Notfall. Zu diesem Zeitpunkt befand sich gerade keine Schwester oder Hebamme im Geburtenraum. Alle waren im hinteren Abteil oder vor dem Labor ward. Plötzlich kam eine Hilfsschwester in den Ward, erblickte die krampfende Schwangere auf ihrer Liege und rief lauthals durch den Ward: „Eklampsia, Eklampsia“.
Eine Schwester machte sich sofort auf dem Weg zur Patientin, während die anwesenden Ärzte sich wohl gar nicht richtig verantwortlich fühlten und dem ganzen recht entspannt gegenüber waren. Der Krampfanfall dauerte ca 2 Minuten.  Allmählich sammelten sich dann aber doch ein paar weitere Schwestern und Ärzte um die Frau herum, die nun aufgehört hatte zu krampfen und apathisch da lag. Nebenbei gesagt, es war das erste Mal, dass ich eine Frau habe krampfen sehen.
Der Frau wurde zunächst 3x versucht ein Zugang zu legen und nach einer, für mich gefühlten Ewigkeit, bekam sie Magnesium intravenös über einen gewissen Zeitraum verabreicht. Leider verstand ich nicht viel vom Kiswahili und konnte auch nicht viel fragen.
Später als die Frau zunächst erstmal versorgt schien, fragte ich was jetzt mit ihr passierte und ob sie jetzt in den OP zur Sectio gefahren wird. Das wurde verneint. Die Mama wurde in den „Beobachtungsbereich“ oder „Intensivbereich“ des Wards gebracht. Nach einiger Zeit wurde der Blutdruck gemessen, der aber anscheinend nicht sehr beunruhigend war. Eine Blutentnahme fand statt – ich habe aber keine Ergebnisse mitbekommen.

Als dann ein weiterer Rundgang eines anderen Qualitätsmanagements stattfand, fing diese Mama anzupressen. Ca. 1h nach ihrem Krampfanfall.
Keiner fühlte sich verantwortlich. Ich wurde von einer Hilfsschwester gerufen um die Geburt zu machen.
Wie gesagt mache ich gerne Geburten, aber trotzdem fühle ich mich nach 3 Wochen im tansanischen Kreißsaal immer noch nicht sicher genug um Geburten selbständig zu leiten. Schon gar nicht bei einer eklamptischen Patientin. Ich war unsicher und sträubte mich innerlich eigentlich dagegen. Trotzdem machte ich mit.
Mal wieder war das Kind halb geboren, als ich zum Bett der Mama kam. Ein kleines Würmchen von 2000g wurde geboren. Termingeboren. Ziemlich schmächtig und winzig.
Nach Plazentageburt merkte ich, dass die Plazenta nicht vollständig war. Innerlich dachte ich: Super, war ja klar.
Die Mama fing an zu bluten. Joyce, eine der Schwestern brachte mir 10iE Oxytocin und machte mit klar, dass ich jetzt eine manuelle Ausschabung machen müsste bzw. die Plazentareste per Hand aus dem Uterus entfernen muss. Ich war sehr zaghaft, aber eine andere Möglichkeit gab es für die Mutter jetzt nicht.
Zum Glück stoppte die Blutung darauf hin, genäht werden musste nichts.
Eine Kollegin übernahm dann die Frau. Für mich etwas verwirrend. Sie machte die Mama sauber und verabreichte ihr weitere 15iE Oxytocin durch die Infusion.
Es war irgendwie ein unbefriedigendes Gefühl. Ich vermisse die strukturierte Anleitung. Mir fehlt noch absolut die Routine – und hinzukommt, dass hier einfach in so vielen Situationen anders gehandelt wird als ich es gelernt habe bzw kenne.
Dem Baby ging es gut – die Mama verbrachte noch einige Stunden dort. Ohne Blutdruckkontrollen oder anderen Checks.

Trotzdem waren mir heute generell alle sehr zugewandt und merken auch, dass mein Kiswahili langsam besser wird. Insgesamt hat der Tag heute Spaß gemacht, auch wenn immer noch vieles unklar für mich ist und ich mich in meiner Entwicklung nicht wirklich voranschreitend empfinde.
Ich versuche das ganze jetzt etwas offensiver anzugehen und mir die Anleitung einzufordern. Sonst klappt das nicht. Ich will endlich wieder selber machen…

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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