Theater vs. Labor Ward

Heute startete unser Tag mit unserer 2. Kiswahili-unterrichtsstunde im Amana. Netter Weise unterrichtet uns Lucas, der Leiter des IT-Bereichs, seit letzter Woche jeweils Montag und Freitag Morgen.

Danach gingen wir alle auf unsere Stationen. Der Kreißsaal war gut belegt.
Nach einiger Zeit wurde ich gebeten, eine schwangere Mama ins Theater (OP) auf dem Krankenhausgelände zu bringen. Heute fanden die Kaiserschnitte nicht im anliegenden OP statt, sondern einige Meter entfernt im AllgemeinOP des Krankenhauses. Obwohl gerade ein Pfleger vom „Hol- und Bringedienst“ vor Ort war, führte ich meine Aufgabe aus und fuhr die Mama im Rollstuhl samt Infusion und Katheter übers Krankenhausgelände.


Im OP angekommen, übergab ich die Mama ans Op-team und wollte mich dann wieder zurück in den Kreißsaal verkrümeln. Doch da hatte ich falsch gedacht. Ich wurde dazu angehalten im OP zu bleiben und die Sectio(Kaiserschnitt) zu begleiten, um das Kind entgegen zu nehmen.
Darauf war ich zwar nicht vorbereitet, aber natürlich sagte ich nicht Nein.
Meine einzige Sorge war nur, dass ich keine Unterstützung einer Kollegin aus dem Kreißsaal hatte und ich weder die Mutter, noch ihre Krankengeschichte kannte. Aber ich hatte zum Glück noch reichlich Zeit um mich korrekt vorzubereiten, da die OP-vorbereitung noch gut 1h dauerte. Trotz kräftig wehender 3.- Gravida mit Zustand nach 2x Spontanpartus. (Die Mutter erwartete ihr 3. Kind und hatte die ersten beiden Kindern spontan geboren)

Ich ließ mir OP Kleidung geben, ein hübsches grünes OP-kleidchen mit Gummistiefeln, und bereitete mir dann meine Kindereinheit vor.
Ambubeutel und der Penguin (ein Art Absauger, erinnert mich an ein Nasenspülgerät) lagen bereits auf der Kinderrea.  Mehr gibts nicht. Nabelklemme und Skalpell zum Abnabeln bringen die Mütter mit.
Während das Op-personal langsam die OP vorbereitete, schlich ich mich zu den Papieren der Mutter und las mir ihre Akte durch. Sie war HIV positiv, um den Entbindungstermin und erwartete, wie bereits erwähnt, ihr 3. Kind. Das 2. Kind ist nach der Geburt 2011 verstorben, keine Todesursache dokumentiert. Also Sectioindikation war „Big Baby“ vermerkt.
Ich war erstmal zufrieden, dass ich zumindest einige wichtige Informationen der Mutter hatte.

Nach einiger Zeit, ich stand die ganze Zeit im OP-saal rum, wurde dann die Spinalanästhasie gelegt. Ein echter Akt für die vor sich hin wehende Mama. Wehenhemmer gab es für sie keine. Was mir allerdings  noch mehr Sorgen bereitete, war ihr Pressdrang, der hörbar stärker wurde. Ein aktueller Muttermundsbefund war nicht bekannt. Während die Mama fleißig ihre Wehen verpustete und zwischenzeitig einmal fast von der Op-liege plupste, fingen die Ärztinnen noch entspannt an, ihren Op-tisch vorzubereiten.
Rein fachlich sind die Arbeitsweisen hier korrekt und auch das Wissen ist da, soweit ich das beurteilen kann. Allerdings macht mich dieses langsame Arbeiten oft extrem ungeduldig . Das Arbeiten auch ohne Rücksicht auf die werdende Mutter.
Das alles natürlich aus meinem „Westlichen“ Blick beurteilt. Vergleichend zudem wie ich es kenne und gelernt habe.

Nach einer Stunde Vorbereitung starteten nun aber endlich die Ärzte mit der Desinfektion und der Operation. Alle Schritte kamen wir sehr aus dem deutschen OP vertraut vor, bis auf, dass die Ärztin einen Längsschnitt, statt einen Querschnitt durchführte.

Als sie dann das Kind entwickeln wollte, passierte das was ich schon erwartet hatte. Das Köpfchen war bereits so tief im Becken, dass sie es selbst nicht entwickeln konnte, ohne dass das Köpfchen durch die Scheide von einer Schwester hoch geschoben wurde. Also zog sich die OP-schwester sterile Handschuhe an, das OP-tuch wurde angehoben und dann musste sie mit ihren Fingern das Babys der Ärztin entgegenschieben.
Grundsätzlich ist dieses Szenarium auch in Deutschland möglich  – allerdings hätte man dieses in diesem Fal, meines Erachtens vermeiden können, mit einer schnelleren Entscheidung und Vorbereitung zur Sectio.

Während der gesamten Vorbereitung gab es keinerlei Herztonaufzeichnung. Es war also unklar wie das Baby das ganze Prozedere gerade mitmachte. Umso nervöser war ich natürlich und wusste nicht was mich jetzt gleich erwartet, wenn das Baby geboren wird.
11.20Uhr wurde dann das Baby geboren, wurde an den Füßen in die Luft gehalten und von der Ärztin stimuliert. Dann übergab mir sie mir, wie schon gedacht, ein schlappes Riesenbaby. Ich machte mich zügig auf den Weg zur Kinderrea – trocknete das Baby ab und nach kurzer Zeit fing es an zuschreien und bekam eine schöne Hautfarbe und  einen guten Muskeltonus. Ich war erstmal beruhigt. Rein Alibi-mäßig saugte ich mittels Penguin das klare Fruchtwasser aus Mund und Nase ab, da mir eine Op-schwester hinterher geschickt wurde und das hier bei fast allen Geburten gemacht wird. Die Schwester zog sich ebenfalls Handschuhe an und schob mich dann zur Seite. Sie saugte ebenfalls noch mal tief ab und rieb den Kleinen noch etwas unsanft an Rücken und Bauch. Ich sagte ihr, dass das Baby sich gut macht. Sie stoppte ihre Art von Unterstützung und sagte mir ich sollte weiter machen. Ich nabelte das Baby entgültig ab und wickelte es in die trockenen Tücher der Mutter. Alles war gut und ich froh, gut durch die Sache gekommen zu sein.

Ich schnappte mir also das kleine Bündel und zog mich wieder um. Dann machte ich mich wieder auf den Weg zurück in den Kreißsaal, wo ich dann den kleinen Kerl wiegen konnte. Wie ich schon beim Tragen bemerkte, gehörte der Kleine nicht zur leichten Sorte. Aber als ich dann die Zahlen auf der Waage erblickte, staunte ich doch nicht schlecht. 4600g! Gut verteilt auf eine Länge, durch die er gar nicht so propper wirkte. Aber somit war diese Sectioindikation durchaus gerechtfertigt.
Hier gilt ein Kind bereits als „Big Baby“ ab 3700g. In Deutschland schwankt diese Zahl zwischen 4200g und 4500g – je nach Klinikstandart.
Also ist dieses Kind in jedem Fall ein „Big Baby“.

Den Rest des Dienstes konnte ich noch 2 weitere Geburten begleiten, allerdings Spontangeburten, die ich in jedem Fall vorziehe. Die Mamas gebaren schnell und ohne große Vorkommnisse ihre Kinder. Keine Dammrisse oder verstärkte Blutungen. Ich war zufrieden und glücklich. Genau richtig um langsam wieder rein zukommen. Mehr davon.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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