Black & White?

Die letzte Woche verlief soweit ganz gut. Das Wochenhighlight für Maria und mich war es am Donnerstag freiwillig einen Nachdienst zu machen. Der Kreißsaalleiter hatte planmäßig Nachtdienst und wir wollten ihm dabei über die Schulter schauen.

Schon der Weg zur Arbeit war komisch. Um 21.oo Uhr sollte der Nachtdienst losgehen. Der sonst helle Arbeitsweg war nun stockfinster, aber trotzdem war noch reges Treiben auf der Straße.
Als wir das Krankenhaus erreichten fiel uns sofort auf: Es ist so ruhig! Ganz ungewohnt alles so leise zu erleben. Das bemerkte ich auch gleich bei meinen Arbeitskollegen, sie lachten.
Maria blieb für die Nacht bei mir, da im Kreißsaal doch mehr los ist in der Nacht als bei ihr auf Station.
Wir hatten die Nacht über immer mal wieder was zu tun, aber es war insgesamt eine ruhige Nacht – vor allem wenn man es mit dem Tagdienst vergleicht. Ich hatte eine schöne Geburt, bei der mich Maria tatkräftig unterstützte und selbst das erste Mal eine Plazenta entwickelte. Wir hatten viel Zeit alles entspannt wegzuarbeiten und ich war erstaunt, wie gut ich mich doch teilweise mit den Frauen unterhalten konnte, während ich sie aufnahm.
Auch mal wieder eine schöne Abwechslung, die Aufnahmen zu machen und nicht „nur“ Geburten im Kreißsaal. Bäuche abtasten – nach Problemen fragen – Herztöne mit dem Pinardrohr hören und vaginale Befunde erheben.

Gegen 7.ooUhr haben wir uns dann auf dem Heimweg gemacht. Da waren wir auch echt erledigt! Noch schnell die Dusche vorm schlafen gehen und dann sind wir ins Bett gefallen.
Unsere lieben Mitfreiwilligen achteten dann auch liebevoll darauf, dass wir nicht all zu lange schliefen und weckten uns mit mehreren Weckanrufen! 😀
Nichtsdestotrotz hat das Schlafen hier am Tag besser geklappt als erwartet. Ohropax und Schlafbrille unterstützten uns dabei.

Am Freitagabend hatten wir dann etwas schönes geplant. Zunächst trafen wir uns alle im Quality Centre (Einkaufsmall) zum Abendbrot und gingen dann gemeinsam ins Kino. Tribute von Panem – Mockingjay. Vor allem wir Mädchen waren natürlich schon aufgeregt und freuten uns auf eine schöne Abwechslung zum Wochenalltag. 🙂
Danach ging es zu uns nach Hause, wo wir zu Musik noch ein bisschen was tranken und dann ging es für Marlene, Birk und mich noch los zum Clubbing.
Wir hatten viel Spaß in einer Strandbar – wo leider keine Leute mehr waren, aber wir noch gemütlich ein Bier tranken. Dann sind wir in einen Club, wo ordentlich mit dem Popo gewackelt wurde.
Gegen 6Uhr genossen wir dann den Sonnenaufgang über den Dächern von Dar es Salaam, auf einer Dachterasse die wir heimlich aufgesucht haben.
Gegen 8Uhr waren wir dann daheim und mein 2. „Nachtdienst“ war geschafft.

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Samstag war entspannt und Sonntag mal wieder ein Strandtag – dieses Mal mit mehr Sonnencreme. Aber ein kleiner Sonnenbrand blieb auch nach dem Volleyball spielen im Wasser nicht aus.

Gestern startete der Montag für uns alle etwas früher als sonst. Grund dafür: der erste Geburtstag in der WG stand an! Felix wurde 24 Jahre.
Also hatten wir alle zusammen ein kleines Frühstück – sangen ein Geburtstagsständchen und überreichten das selbstgebastelte Geschenk/Gutschein.
Ansonsten war der Tag eher unspektakulär. Da im Kreißsaal mal keine Frau war, habe ich im Ward 6 gearbeitet, wo sich die Schwangeren Frauen bis zu 6cm Muttermunderöffnung aufhalten.
Abends gab es noch ein schönes Geburtstagsabendessen zusammen auch mit Birk, Silke und Philipp. Wie ließen den Tag mit einem Filmwunsch ausklingen: Horton hört ein Hu. Das Geburtstagskind schlief leider zwischen drin ein. 😉

Heute Morgen war ich dann um 8.ooUhr beim Morning Report der Ärzte dabei, wo ein Arzt eine Präsentation zum Thema „Postpartale Blutungen“ hielt.
Davor wurden noch ein paar Fälle der Assistenzärzte besprochen. U.a. ein Fall wo es um eine Zwillingsmutter ging, Erstgebärende, das führende Kind in Beckenendlage.
Zwischendurch fragte die eine Oberärztin immer wieder einige fachliche Fragen z.B. was kann passieren, wenn bei einer Beckenendlage die Fruchtblase vorzeitig springt oder wie viel Zeit vergehen kann, bis der 2. Zwilling geboren sein sollte. Fragen die wir während meiner Ausbildung des Öfteren vorkamen und schon fast selbstverständlich waren.
Als der Arzt allerdings diese Fragen nicht beantworten konnte und auch kaum ein anderer anwesender Arzt, wäre ich fast vom Stuhl gefallen. Alles Ärzte, die jeden Tag in der Frauenklinik arbeiten – seit längerer Zeit. Junge – als auch Ältere Ärzte konnten ausgewählte Fragen nicht beantworten. Ich war schockiert. Dieses bestätigt wieder meine Vermutung, dass die Probleme schon in der Ausbildung liegen.
Die spätere Präsentation war wiederum sehr gut. Wobei ich von diesem Arzt auch nichts anderes erwartet habe. Ich habe ihn bereits mal in einem meiner Einträge erwähnt. Sehr reflektierend, empathisch und fachlich korrektes Arbeiten.
Auch nach dem Morning Report unterhielt ich mich noch eine Weile mit ihm. Ich sagte ihm, wie verwundert ich darüber war, dass so wenige Ärzte hier über das korrekte Management Bescheid wüssten. Er bejahte das, allerdings merkte er auch an, dass die Ärzte ja auch nicht so viele Zwillingsgeburten sehen bzw machen würden.
Das nahm ich als „Ausrede“ aber nicht an – Ich selbst habe auch noch nie eine Zwillingsgeburt geleitet, hatte aber keine Probleme die Fragen zu beantworten.

Später im Laufe des Tages stattete ich Maria meinen täglichen Besuch auf Station ab. Wir unterhielten uns etwas, bis ich dann von einer Schwester gefragt wurde, ob ich ein Baby füttern wollte. Die Mutter konnte das selber leider nicht übernehmen, da sie vor ein paar Tagen bei der Sectio/Kaiserschnitt verstorben ist.
Ich nahm diese Aufgabe gerne an und schnappte mir das kleine Menschlein. Unwissend darüber was gleich folgen würde.
Ich wartete darauf, dass die Milch zubereitet wird und wechselte währenddessen die Windel des Babys.
Dann startete ich die kleine Raubtierfütterung. In dem kleinen Metallbecher stand noch die Spritze, mit der die Milch angerührt wurde. Diese Metallbecher werden häufiger verwendet und sehen dementsprechend aus.
Ich wusste, dass Maria gestern einmal eine kleine Rüge bekommen hat, weil sie das Kind mit der Spritze gefüttert hatte, allerdings dachte ich mir nichts dabei und tat zunächst dasselbe.
Das Baby machte alles super. Verschluckte sich nicht und nichts lief daneben. Ich freute mich.
Bis dann die Oberschwester der Station kam und etwas auf Suaheli schimpfte. Ich sagte ihr, dass ich sie nicht verstehe und sie auf Englisch reden soll. Sie fragte mich warum ich das Kind mit der Spritze füttere, das machen sie hier nicht so und schließlich hätte sie das Maria gestern auch schon gesagt.
Ich sagte und zeigte ihr ruhig, dass es so auch ginge, außerdem war der Becher zu Anfang randvoll – so hätte man gar nicht anfangen können.
Doch das interessierte sie nicht und sie redete sich in Rage. Sie fragte, ob wir das in Deutschland auch täten. Ich verneinte diese Frage – grundsätzlich haben wir Flaschen, unter Umständen aber auch Becher oder Spritzen für kleine Mengen. Doch das hörte sie gar nicht mehr. Dann folgte eine sehr schockierend gemeine Beschuldigung. Wir täten das nur, weil sie schwarz wären.
Mir fiel die Kinnlade runter! Bekam nur ein: „Sorry??!!?!“ heraus.
Dann machte sie sich davon.

Ein paar Minuten später, als sie noch einmal  an mir vorbei ging, sprach ich sie noch einmal an und wollte mit ihr über das Problem sprechen. Musste meine Erschrockenheit über ihre Aussage runterschlucken.
Doch eine richtige Diskussion kam wieder nicht zu stande – sie wollte gar nicht hören, dass beides möglich ist. Es geht nur das eine und sonst nichts.
Dann mischten sich 2 Ärzte ein und argumentierten damit, dass in der Spritze zu viel Luft sein, wodurch das Baby später erbrechen würde. Wenn dem wirklich so wäre, dürfte man theoretisch auch keine Infusionslösungen Bolus verabreichen.
Wir konnten reden so viel wir wollten – keiner verstand es oder wollte uns zuhören. Es geht nur Bechern.
Irgendwann wurde die eine Ärztin so laut, dass ich sie kurz beruhigen musste, um auf normaler Tonebene mit ihr weiter zu diskutieren. Es ging uns gar nicht darum zu sagen, dass das Bechern schlecht ist, im Gegenteil. Das betonte ich auch noch einmal.
Trotzdem schienen wir mit dieser Diskussion irgendeinen Nerv getroffen zu haben.
Maria und ich waren danach ziemlich durch den Wind.
Aus so einer kleinen, fast unwichtigen Sache wurde ein riesen Thema – inklusive Rassismusvorwurf.
Am Ende wurde mir das Kind weggenommen und es wurde mittels Becher weitergefüttert.
Danach ging Maria noch einmal zur Oberschwester und erklärte erneut unseren Standpunkt. Das es nicht um Besser oder Schlechter geht, aber das einfach beides möglich ist.
Aber am meisten verletzte und schockierte uns der Rassismusvorwurf, dass das an dieser Stelle sehr unpassend war! Wenn wir auch nur im geringsten diese Gedanken hätten, wären wir wohl nicht hier – aber das muss man eigentlich gar nicht erst erwähnen.
Die Schwester lenkte etwas ein, möchte aber morgen sehen, wo steht, dass Füttern mittels Spritze ebenfalls möglich ist.

Nun gut. Ein ziemlich frustierendes Ende eines Arbeitstages.
Aber morgen geht es weiter…

 

 

 

 

 

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