Zurück im Molloch

Der Urlaub ist vorbei.
Doch zum Glück ist der nächste nicht mehr in weiter Ferne – Weihnachten und Silvester stehen an.

Als wir letzten Dienstag wieder zurück nach Dar es Salaam kamen, fiel uns auf, dass wir das heiße, laute, stinkende Städtchen nur wenig vermisst hatten. Schon auf der Rückfahrt spürte man den stetigen Anstieg der Temperatur, je dichter wir Dar es Salaam kamen. Die Temperaturanzeige bestätigte dieses. Abfahrt aus Lushoto bei ca. 24grad – Ankunft in Dar es Salaam: 33grad.


Empfangen wurden wir mit einem klassischen Stau. Und ohne Fahrtwind, ging es wieder fleißig mit dem Schwitzen los. Karibu Schwitztuch.
Zu Hause angekommen musste ich erstmal unter die Dusche, dann wurde ausgepackt und der Wäschekorb war plötzlich randvoll. Ich freute mich auf die Handwäsche!!!
Insgesamt waren wir alle etwas frustriert, dass dieser wunderbare Urlaub jetzt schon vorbei war und wir schwelgten noch etwas in diesen schönen Momenten.

Am Mittwoch ging es wieder zur Arbeit.
3 Hebammenschülerinnen aus England hatten ihren ersten Tag.Sie waren von Work the World und werden für 2 Wochen im Amana hospitieren. Als sie gegen 10Uhr im Labor ward ankamen, wurde mir direkt die Aufgabe übertragen, sie umher zu führen. Wie hätte es auch anders sein sollen.
Im Kreißsaal war allerdings gerade nicht viel zu tun, also führte ich die 3 etwas im Maternity ward rum. Es war schön einige Erfahrungen zu teilen, auch wenn ich nicht unbedingt viel Euphorie in meine Erzählungen legen konnte. Es tat gut, dass Kolleginnen mich fachlich verstehen und wir uns auftauschen konnten.

Später am Tag sollte dann eine Patientin ins Muhimbili Krankenhaus verlegt werden. Das Muhimbili ist mit das größte Krankenhaus in Dar es Salaam.
Die besagte Patientin (4Gravida/3Para) hatte einen bekannten schwangerschaftsinduzierten Hypertonus mit einer anscheinend beginnenden Kardiomyopathie.
Da niemand anderes hätte fahren können, wurde ich gebeten die Frau zu begleiten. Ich freute mich darüber. So konnte ich mir endlich mal das Muhimbili anschauen.
Vorab forderte ich aber eine genaue Übergabe der Patientin ein. Ich ging also mit einer Schwester in den Ward 6 um mir die Akte anzuschauen. Die Patientin hatte deutlich Wassereinlagerungen, die letzten Blutdrücke befanden sich im Bereich 140/90, keine Proteinurie oder sonstige Beschwerden.
Auf meine Nachfrage hin, wie die Kardiomyopathie diagnostiziert wurde, bekam ich keine direkte Antwort nur, dass sie eine bekannter Fall sein. Auch auf weitere Nachfragen wie Medikation und sonstiges konnte nur geringfügig geantwortet werden. Alles war wieder irgendwie zusammen gemauschelt.
Ich arbeitete mich selber durch die Akte und versuchte zumindest einen kleinen Überblick zubekommen. Am Ende bemerkte nur eine Schwester, nach einigen meiner Fragen: „Oh, du bist gut. Jetzt bist du eine Expertin.“
Mh – nein, ich denke mit.

Kurze Zeit später ging es dann los. Maria konnte mich begleiten. Wir fuhren in einem winzigen Minibus, besetzt mit 6 Personen – 2 Patientinnen, 3 Nurses und ein Fahrer.
Am Muhimbili angekommen ging es erstmal ans Bürokratische. Im Maternity ward kommt man unten direkt an eine Aufnahme – dort gibt es sogar einen PC und eine echte Aktenanlage.
Danach fuhren wir mit dem Fahrstuhl (!) in den Kreißsaal. Die beiden Patientinnen wurden bereits während der Aufnahme auf die entsprechenden Stationen gebracht.
Der Kreißsaal im Muhimbili ist etwas großer, als der im Amana. Im Großen und Ganzen unterscheiden sich die Kreißsaäle nur bedingt. Nichtsdestotrotz machte der Kreißsaal im Muhimbili einen etwas diskreteren Eindruck auf mich. Jede Frau hat ihre eigene kleine Kabine, da die Vorhänge zwischen den Betten etwas massiver sind, als die im Amana. Im Amana sind es lediglich dünne Stoffvorhänge, die bei jeden Windchen zur Seite wehen. Im Muhimbili stattdessen sind es Ledervorhänge. So hat man zumindest etwas eine räumliche Trennung, rein visuell.
Das absolute Highlight für mich war, dass jede „Gebärliege“ einen eigenen Beistelltisch hat um alle nötigen Utensilien abzulegen. Ich musste sofort daran denken, wie oft mir hier eine solche Ablagemöglichkeit fehlt und man alles auf den Liegen vorbereiten bzw ablegen muss. Dieses macht das saubere Arbeiten noch komplizierter. Eine solche Selbstverständlichkeit in Deutschland – hier eine echte Seltenheit.
Wir musste noch einige Zeit auf Unterlagen warten und somit konnten wir uns noch etwas umschauen im Kreißsaal.
Alles wirkte etwas organisierter und strukturierter. Allerdings kann man das nach wenigen Minuten vermutlich auch nicht 100% richtig einschätzen.

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Grundsätzlich frage ich mich, warum sich nicht einiges „abgeguckt“ wird und einfach übernommen wird. Das wäre ein Leichtes.
Ebenfalls ist mir aufgefallen, dass sie im Muhimbili tatsächlich auch die sterilen Geburtensets verwenden. Im Amana haben wir zwar auch welche, sie werden aber nur selten benutzt.

Die Arbeitswoche hielt sich kurz.
Am Samstag trafen Maria und ich uns mit einem Arzt aus dem Krankenhaus, der uns zum Essen einlud und danach konnten wir noch etwas am Strand rumlümmeln.
Wir unterhielten uns natürlich ein wenig über die Arbeit und er erzählte uns, dass am Freitag eine Frau verstorben ist. Sie (20jährige Erstgebärende) bekam aufgrund eines langsamen Geburtsverlaufes eine Sectio, bei der sie bereits verstärkt blutete. Allerdings bekamen sie die Blutung mit Uterotonika wieder in den Griff. Nichtsdestotrotz ordneten die Ärzte eine regelmäßige Uterus- und Blutungskontrolle an, damit die Frau im Ernstfall wieder schnell zurück in den OP kann.
Allerdings wurde diese Anordnung nicht beachtet und keine der Schwestern im „Post-ceasar-ward“ (Station für Frauen nach der Sectio), kontrollierte die Blutung.
Dieses war das sichere Todesurteil für die Frau, da sie stetig weiter blutete – leise verblutete.
Ein absolut unnötiges Ereignis, was ohne großen Aufwand sicher vermeidbar gewesen wäre. Unwissenheit und Bequemlichkeit.
Ich wusste nicht was ich dazu sagen sollte.

Das alles fühlt sich an wie ein Fass ohne Boden. Solange man daneben steht und Sachen anmerkt wird es mehr oder weniger korrekt durchgeführt. Sobald man der Situation allerdings den Rücken zukehrt, ist alles wieder vergessen und wird so gemacht wie es sonst auch gemacht wird. Denn es funktioniert im Großen und Ganzen – ohne erheblich große Verluste.

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