Jetzt weiß ich wieder was das Lehrbuch mit „erbsenbrei-artigem“ Fruchtwasser meint…

Endlich wieder Kreißsaal.

Seit letzter Woche bin ich wieder zurück im Kreißsaal und habe dort erst wieder gemerkt, wie sehr mir die Arbeit gefehlt hat.
Letzten Montag war ich sogar etwas nervös bei dem Gedanken wieder voll einzusteigen. Doch diese Sorge war absolut unbegründet. Vor allem meine Kollegen, die ich egal wo ich im Maternity Ward arbeite sowieso jeden Tag sehe, haben mir den ersten Tag besonders leicht gemacht. Alle haben sich gefreut, dass ich wieder da bin und mit arbeite.


Ich hatte einen tollen 3. Anfang im Kreißsaal und werde jetzt vermutlich auch bis zum Ende dort bleiben (heute sind es nur noch 80Tage !!!).
Außerdem gebe ich mir weiterhin große Mühe mit den Kollegen nur noch Kiswahili zu sprechen – und überraschenderweise klappt das auch! 😉
Daraus entwickelt sich einfach ein toller Umgang miteinander – ich habe viel Freude mit meinen Kollegen und es ist immer wieder ein Spaß, wenn tansanischen Kollegen, mit denen ich noch nicht gearbeitet habe, erst nach einiger Zeit mitbekommen, dass ich ja tatsächlich einiges verstehe.

Am Montag im Kreißsaal hatte ich zwar keine Spontane Geburt, aber ich konnte mich wieder langsam an das kleine Chaos und den Geräuschpegel gewöhnen und mittlerweile routiniert eine Sectio begleiten.
Am Dienstag hatte ich dann wieder etwas mehr Glück und hatte 2 tolle spontane Geburten. Da nicht all zu viel zu tun war, konnte ich diese Geburten gemeinsam mit einer meiner Lieblingskolleginnen machen und wir haben gut zusammen gearbeitet. Mittlerweile habe ich natürlich die meisten Abläufe verinnerlicht und denke während meiner Arbeit nur noch selten daran, wie ich das ein oder andere jetzt in Deutschland machen würde.
1. ist dafür meistens keine Zeit und 2. habe ich mich dafür entschieden nicht mehr so viel zu vergleichen. Einfach für mich und mein Gemüt. Und damit komme ich gut zurecht.
Aber natürlich gehe ich ab und zu im Kopf immer mal wieder einige Abläufe nach deutschen Standard im Kopf durch, damit nicht alles in Vergessenheit gerät. Und außerdem läuft hier ja auch gar nicht alles anders als in Deutschland 🙂

Meine hauptsächliche Aufgabe habe ich darin gefunden zu unterstützen wo ich kann – meine Kolleginnen bei den Geburten zur Seite zu stehen und nötige Utensilien vorzubereiten. Oder auf hygienisches Arbeiten zu achten wie zum Beispiel, die vorherige Desinfektion beim Legen eines Katheters, was schon manchmal in Vergessenheit geraten kann. Dann reiche ich gerne mal die Desfektion und die Pamba (Watte) zur Reinigung an meine Kollegen weiter.
Und das Tollste daran ist eigentlich, dass mich die meisten meiner Kollegen als gleichwertige Kollegin wahrnehmen – obwohl ich jetzt so lange nicht im Kreißsaal war.
Mir werden verantwortungsvolle Aufgaben überlassen.

Wie zum Beispiel gestern – wo ich selber wirklich überrascht war.
Recht am Anfang des Dienstes kam eine Verlegung aus einer kleines Dispensary (kleine medizinische Versorgungsstätte, wo auch gelegentlich Geburten stattfinden) zu uns in den Kreißsaal.
Die Frau erwartete ihr 2. Kind und hatte starke vaginale Blutungen.
Da ich gerade keine andere Aufgabe hatte, half ich bei diesem Notfall mit. Es wurden 2 weitere Zugänge gelegt, um den Blutverlust mit Flüssigkeit zu kompensieren.
Während die Frau zur vaginalen Untersuchung gelagert wurde (es war bereits klar, dass es sich um eine vorzeitige Plazentalösung handelt), nahm ich die Vorlage beiseite und sah bereits ca. 15cm Nabelschnur aus der Scheide hängen. Die Frau war in der 32. Schwangerschaftswoche.
Als die Ärztin die Frau dann untersuchte, stellte sie fest, dass das Kind in Beckenendlage liegt und bereits nahe des Muttermundes ein großer Teil Plazenta tastbar ist. In der Nabelschnur war kein Puls mehr fühlbar, was darauf hin deutet, dass das Kind bereits intrauterin verstorben ist. Der Muttermund war bereits vollständig eröffnet. Zur Unterstützung der Geburt bekam die Frau intravenös 10iE Oxytocin in 1 Liter Ringerlactat.
Ich bereitete drum herum alles vor, während die Ärztin die Frau in der nächsten Wehe zum Mitschieben anleitete. Kurze Zeit später wurde das tote Kind aus Beckenendlage geboren. Die Ärztin gab mir Anweisungen und wir arbeiteten gemeinsam.

Da währenddessen aber im Kreißsaal noch weiter viel zu tun war, verabschiedete sich die Ärztin und überließ mir die restliche Arbeit und Verantwortung. Das tote Kind zwischen den Beinen der Mutter – bedeckt von Placenta.
Aber wie ich es gewohnt bin, habe ich das Kind abgenabelt und in einen Kanga gewickelt und der Mutter einen Moment Zeit gegeben sich von dem Kind zu verabschieden. Doch dieses Prozedere nimmt hier oft nicht viel Zeit in Anspruch, da das Kind glaubensbedingt nicht als lebensfähig galt und die Trauer meistens nicht viel Raum hat.
Danach habe ich alles aufgeräumt und der Frau Zeit für sich gegeben.
Größtenteils natürlich auch, weil die Arbeit im Kreißsaal weiter ging.
Immer mal wieder kontrollierte ich die vaginale Blutung und des Fundusstand, aber hier waren zum Glück keine weiteren Auffälligkeiten zu sehen.

Später hatte ich dann aber noch eine tolle Spontangeburt.
Eine 4. Gebärende, die bereits mit vollständigen Muttermund in den Kreißsaal kam und kurze Zeit später entband. Nebenbei habe ich wieder eine neue „andere Weiße“ an meiner Seite. Die mir natürlich auch bei dieser Geburt über die Schulter blickte.
Doch da diese Geburt absolut entspannt ablief und ich nicht mal, wie sonst eigentlich bei diesen Temperaturen, ins Schwitzen kam, nahm ich mir die Zeit um ihr ein bisschen was zu erklären. Sie ist Nursing-Studentin im 2. Lehrjahr.
Allerdings behielt mich ebenfalls eine andere Kollegin, die nicht unbedingt zu meinen Lieblingskolleginnen gehört, ganz kritisch im Auge und beobachtete jeden meiner Arbeitsschritte genau. Doch es gab nichts zu bemängeln. Erst in der Plazentaperiode gab sie sich plötzlich ganz empört. Ich hatte gerade die Schülerin dazu aufgefordert mir 10iE Oxytocin (Standardgabe nach der Geburt) aufzuziehen und machte mich dabei die Plazenta zu entwickeln. Die Lösungszeichen waren positiv, nach dem auch die Lösungsblutung eingesetzt hatte.
Doch meine tansanische Kollegin hielt mich zurück – ob ich denn nicht wissen würde, wie gefährlich es sei die Plazenta zu entwickeln ohne vorher Oxytocin zu geben.
Nein weiß ich nicht – ist nämlich nicht gefährlich.
Also versuchte ich ihr klar zu machen, dass bereits die Lösungsblutung eingesetzt hat und es somit keinen Unterschied macht, wenn ich die 10iE Oxytocin erst kurz nach der Plazentageburt intramuskulär verabreiche, denn diese Gabe dient als Blutungsprophylaxe – nicht vorrangig der Plazentalösung.
Aber so wirklich zuhören wollte sie mir nicht, also nahm ich es mit Humor und habe es so gemacht wie sie wollte. Denn das machte auch keinen großen Unterschied. Ich war glücklich und zufrieden, dass es dem Kind gut ging und auch die Mutter keine Geburtsverletzungen davon getragen hatte. Sie war lediglich von starken Nachwehen geplagt, was aber bei 4. Gebärenden absolut normal ist.

Heute wurde ich wieder zur SectioFee ernannt und durfte 4 Sectios begleiten.
Und direkt die erste lief so gar nicht nach meiner Vorstellung. Es handelte sich um eine 2. Gebärende, die wegen Verdacht auf eine vorzeitigen Plazentalösung zu uns verlegt wurde. Vorrangig war allerdings der Zustand nach Kaiserschnitt…weshalb die Re-Sectio durchgeführt werden sollte. Manchmal schon eine interessante Prioritätensetzung.
Ich war gespannt in welchem Zustand dieses Kind geboren wurde.
Als dann das Uteruscavum eröffnet wurde und ein Schwall Blut und ein Haufen Blutkoagel aus dem Bauchraum der Mutter traten, hatte ich nur wenig Hoffnung auf ein noch lebendes Kind.
Aber….!!! Ich sollte eines besseren belehrt werden!
Das Kind machte zwar nicht besonders viel, aber es einen guten Muskeltonus und regte einige Gesichtszüge. Ich machte mich direkt auf den Weg zur Kindereinheit und saugte das Blut aus Mund, Rachen und Nase ab. Während der Herzschlag normgerecht in der Nabelschnur tastbar war, hatte es dann aber doch ein paar Schwierigkeiten mit der Atmung in Gang zu kommen und wurde zunehmend schlapper. Ich unterstützte es etwas mit einer Bebeutelung und daraufhin begann es selbständig zu atmen. Ein kleines zusätzliches Problem war, dass es ein kleiner Junge war, die statistisch ja immer etwas länger brauchen und sich schwer tun alles richtig zu koordinieren im kleinen Körper. 😉

Danach ging ich mit ihm zurück in den Kreißsaal und gab ihm noch ein bisschen die Gelegenheit mit Sauerstoff besser anzukommen. Doch bereits im Kreißsaal dachte ich schon: Unglaublich was du kleiner Mensch gerade geleistet hast. Eine geringe Versorgung der Plazenta überstanden und hier jetzt schreiend und vital vor mir liegen. Mit das Eindrücklichste was ich hier bislang gelernt habe, ist was diese kleinen Menschenkörper alles kompensieren und aushalten können. Wahnsinn!!!

Doch der eigentliche Super-Gau war dann allerdings die 2. Sectio des Tages.
Sectioindikation war ein prolongierter Geburtsverlauf bei einer Erstgebärenden.
Als der Uterus eröffnet wurde, schwall direkt eine dickflüssige grüne Masse heraus. Danach das Kind – was erstmal nichts machte. Grundsätzlich war ich darüber erstmal froh, da es diese zähe Masse nicht einatmete. Doch das Prozedere der Ärzte dauerte mir dann doch etwas zu lange – der Mutter das Geschlecht zeigen und abnabeln und etc…
Zügig brachte ich das Kind dann zum Reatisch und machte mich erstmal ans Absaugen dieses dick-grünen Fruchtwassers.
Nachdem ich das meiste abgesaugt hatte, stimulierte ich es und musste es daraufhin bebeuteln. Doch leider war der Erfolg nur gering und das Kind brauchte länger als gewünscht.
Ungewöhnlicher Weise kümmerte sich dann eine der Anästhesistinnen darum, dass das Kind maschinell abgesaugt werden kann und bereits im OP eine Sauerstoffvorlage bekommt. Dafür war ich sehr dankbar.
Nach einer gewissen Zeit schrie das Baby dann und machte sich etwas besser.
Und obwohl es ein Mädchen war, tat es sich schwer 😉

Kinderrea im OP

Kinderrea im OP

Ich beschloss das Kind zügig auf die Babyintensivstation zu bringen, wo es dann weiter versorgt wurde und mit Antibiose abgedeckt wurde. Was im möglichen Fall einer Mekoniumaspiration nicht schaden kann. Bestimmung von Entzündungsparametern im Blut gehört nicht zum diagnostischen Verfahren. Temperaturkontrollen finden im optimalsten Fall statt.

Auch das 3. Kind an meinen heutigen Tag tat sich etwas schwer und benötigte etwas Unterstützung. Als ich gerade mit diesem dann aber fitten Kind in der Kreißsaal verschwinden wollte, wartete allerdings schon eine Schülerin an der Tür, die mir das Kind abnahm und bereits die nächste Patientin im OP auf ihren Kaiserschnitt wartete.
Also übernahm ich auch diese Sectio.
Allerdings hat sich das Warten hier mehr als gelohnt und ich hatte ein tolles Erlebnis mit einem tollen Kind und einer sehr glücklichen Mutter.
Bereits als der Kopf geboren war, schrie das Kind mit größter Motivation (das Fruchtwasser war mehr als klar – mit kleinen Vernix-Flocken, so wie ich mir das wünsche)…und ich nahm mit Freude dieses vitale kleine Menschlein entgegen.
Ein guter Start ins Leben mit einen sehr offenen und wachen Wesen.
Und direkt der restliche Tag vergessen – klingt kitschig und nach Klischee – war aber tatsächlich so. Ich bin froh darüber, dass es immer noch solche Momente gibt.

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Also beendete ich meinen Tag durchaus besser als ich ihn begonnen hatte.
Man weiß einfach nie was der Arbeitstag bringt – und in einem tansanischen Kreißsaal erst recht nicht!

lll

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